Die Stadtältesten der Großen (Kaufmanns-) Gilde |
Was das Verhältnis zwischen der Großen und Kleinen Gilde betrifft, so unterschied sich in dieser Hinsicht Libau als See- und Handelsstadt sehr erheblich von anderen kurländischen Städten. Während des 17. und 18. Jahrhunderts hatte sich in Libau eine deut- liche Dominanz der in der Großen Gilde zusammengeschlossenen Kaufmann- schaft gegenüber den Handwerkern und ihrer Kleinen Gilde herausgebildet. Das zeigte sich besonders am Wahlrecht zu den verschiedenen, für die Selbstverwaltung der Stadt maßgebenden Ämtern. Wie andere kurländische Städte besaß Libau eine Magistratsver- fassung. Hiernach bestand der Libauer Magistrat aus zwei (zeitweise drei) Bürgermeistern, einem Gerichtsvogt und sechs Ratsherren (Ratsverwandten). Die Bürgermeister und der Gerichtsvogt wurden aus dem Kreise der Ratsherren von der Bürgerschaft gewählt. Hierbei waren es die Stadtältesten der Großen Gilde, welche der Gildenversammlung von sich aus Ratsherren als Kandidaten für die Bürgemeisterwahl vorschlugen, zu denen dann noch einige Ratsherren von der Gildenversammlung nominiert wurden. (1) Die Ratsherren hingegen wählten sich ihre Ergänzung durch Zuwahl aus den Stadtältesten der Großen Gilde. Somit bestimmten die Ratsherren selbst, wer von den Stadtältesten der Großen Gilde in den Rat aufgenommen wurde. Durch dieses Wahlsystem waren in Libau nur Stadtälteste der Großen Gilde ratsfähig. Der Stadtältermann der Großen Gilde wurde bis zum Jahre 1803 auf drei Jahre, danach jedoch (seit der Wahl des Ältermannses Kolb) auf Lebens- zeit durch die Bürger der Großen Gilde gewählt. Hierzu schlugen die Stadt- ältesten aus ihrer Mitte den Bürgern mindestens zwei Kandidaten vor.(2) Während der Stadtältermann der Großen Gilde aus den Stadtältesten durch die Bürger der Großen Gilde gewählt wurde, erfolgte die Wahl der Stadtältesten nach einem anderen Verfahren: Aus den Protokollbüchern des Stadtältestenstandes der Großen Gilde geht hervor, dass der Stadtältermann aus den Mitgliedern der Großen Gilde mehrere Kandidaten der Stadtältesten- bank zur Wahl als Stadtälteste vorschlug. Aus den vorgeschlagenen Kandida- ten wählten nur die Stadtältesten, also nicht die gesamte Bürgerschaft der Großen Gilde (!), die neuen Stadtältesten durch Mehrheitsentscheidung aus.(3) Hierbei ist bemerkenswert, daß stets nur Kaufleute und nicht andere Angehö- rige der Großen Gilde zu Stadtältesten gewählt wurden. Diese Wahlverfahren stellten sicher, dass in Libau lediglich Mitglieder des Kaufmannsstandes dem Magistrat und der einflussreichen Stadtältestenbank der Große Gilde angehör- ten. |